Monday, January 18, 2010

"Memoiren eines Feiglings" von To Hai




"Memoiren eines Feiglings" von To Hai. In diesem Buch werden die Verbrechen des kommunistischen Regimes von einem Parteimitglied (seit 1949) offengelegt. Es wird in den USA veröffentlicht. To Hai ist in Vietnam als Komponist berühmt.

Anmerkungen des Herausgebers: To Hai oder To Dinh Hai wurde 1927 in Hanoi geboren. Er begann eine literarische Ausbildung und Musikstunden in einer Schule von katholischen Nonnen in Hanoi. Nachdem er das Gymnasium abschloss (Französisches Baccalaurate 1), schloss sich To Hai der Nationalen Verteidigung an und wurde danach Mitglied der kommunistischen Partei. Seit 1947 war To Hai bekannt für seine Lieder wie Nu Cuoi Son Cuoc (Das Lächeln der Bergbewohner), Tro Lai Do Thanh (Rückkehr in die Hauptstadt)... To Hai hat viel komponiert, etwa 1000 Musikstücke. Aber, wie er zugibt, "wurden die meisten meiner Werke auf Befehl erstellt, so dass sie eigentlich nur Propaganda-Slogans schmettern."

1960 verließ To Hai die kommunistische Partei und nahm seinen Abschied von der Armee. Nach 1975 zog er nach Saigon und ging 1986 in den vorzeitigen Ruhestand. Er beschloss, sich in Nha Trang niederzulassen und zurückgezogen zu leben, um keine Befehle mehr annehmen zu müssen, "was, wie and für wen ich schreibe."

Der Komponist To Hai ist jetzt 83 Jahre alt. Er ist krank, kann sich kaum bewegen, liegt im Bett neben seinem PC und ist Vietnams ältester Blogger. Er schreibt immerzu, damit die Leute ihre Illusionen verlieren und den Kommunismus aufgeben, damit die Leute ihre Würde wiedererlangen, die nach dem Herbst 1945 zerstört wurde.

Das Buch "Memoiren eines Feiglings" von To Hai wird am Sonntag, den 1. Juni um 14:00 Uhr im Auditorium des Nguoi Viet-Nachrichtenbüros vom Verlag Que Huong Bookcase vorgestellt. Bei dieser Gelegenheit hat sich To Hai bereit erklärt, von Saigon aus Nguoi Viet ein Tele-Interview zu geben:

Nguoi viet: Normalerweise schreibt man etwas Gutes über sich selbst in den Memoiren. In Ihrem Fall jedoch, heißt es Memoiren eines Feiglings. Warum?

To Hai: In diesem Memoiren schrieb ich über meine eigene Feigheit. Die Situation, aus der ich mich erst nach der Pensionierung befreien konnte. In der Vergangenheit, als ich auf der Gehaltsliste der Partei und der Regierung stand, musste ich, um zu überleben, etwas schreiben, das ich nicht wollte. Ich bin nicht anders als einige meiner Kollegen, die in ihren späten Jahren erkannten, dass sie über sich selbst nachdenken mussten. Ich habe 15 - 20 Jahre über mich selbst nachgedacht. Aber ich wage das nicht im Inland zu veröffentlichen. Das muss ich im Ausland machen. Wenn wir in Vietnam Meinungsfreiheit hätten, dann würde ich es lieber hier veröffentlichen. Schon jetzt, obwohl das Buch noch gar nicht im Handel ist, haben vietnamesiche Zeitungen mich bereits beleidigt. (Er hustet stark) Tut mir leid, mit geht es nicht so gut. Darum huste ich oft und kann nicht flüssig sprechen.

Nguoi Viet: In ihren Memoiren kann der Leser erkennen, dass sie in ihrer Jugend die rote Fahne mit dem gelben Stern als Symbol des Nationalstolzes ansahen. Aber später erzählten Sie, Ihre Vater hätte Ihnen gesagt "weil Sie dem Kommunismus gefolgt sind, wenn Sie eines Tages scheitern und zurückkehren, würde er Sie rauswerfen." Zu dieser Zeit muss Ihr Vater schon erkannt haben, welchen Schaden der Kommunismus dem Land zufügen kann.

To Hai: Damals arbeitete mein Vater bei der Post. Er konnte viele Bücher und Zeitschriften aus dem Ausland bekommen. So las er viel und ich auch. Dennoch hatten wir verschiedene Standpunkte. Damals hätte nicht nur ich, sondern sogar König Bao Dai and andere Veteranen der Revolution den Mann, dessen Name Nguyen Ai Quoc war und der sich später Ho Chi Minh nannte, eher als Patriot denn als Kommunist betrachtet. Vor allem hatte Mr. Ho sich von der Kommunistischen Partei Indochinas abgewandt und eine Koalitionsregierung unter Beteiligung nicht-kommunistischer Mitglieder eingesetzt. Mein Vater sagte: "Ihr wurdet betrogen". Es waren die Sprüche meines Vaters, die mich zur Flagge mit dem gelben Stern trieben. Offen gesagt, es war der Stolz eines 18jährigen Teenagers, der mich dem Kommunismus folgen ließ. Bei der Landreform wurde ich desillusioniert und begann zu schreiben. Aber die Hälfte meiner Tätigkeit diente dem Überleben meiner Familie und die andere Hälfte war für mich. Die Werke, die ich zum Überleben schrieb, waren eigentlich nur eine Art heruntergekommene Ansammlung ohne jeden künstlerischen oder literarischen Wert. Erst jetzt, mit den "Memoiren eines Feiglings", kann ich wirklich leben und schrieben, so dass die Leser und ihre Nachkommen sehen, dass es eine Zeit gab, in der Künstler wie wir in todbringende politische Aktionen wie die Landreform mit hineingezogen wurden. Ich hoffe gar nicht, ein Schriftsteller zu werden mit diesem Buch, aber ich hoffe sehr wohl, dass meine Freunde und Nachkommen erkennen, wie erbärmlich unser Leben war, weil wir im Auftrag des Staates komponieren mussten.

Nguoi Viet: Während des Vietnamkriegs blieben Sie im Norden und Ihre Familie wanderte nach Süden aus. Sie haben einen Schwager, Lieutenant General Lam Quang Thi der Republik Vietnam. Wie sahen Sie die Gesellschaft im Süden, als der Krieg 1975 endete?

To Hai: In meinem Blog, habe ich meine Feigheit etwas reduziert und meine Gefühle in dem Artikel "Ein Besuch bei den Reichen, eine Frage des Vermögens" zum Ausdruck gebracht. Ich kam in Saigon nach 1975 an, als meine Familie bereits in die USA ausgewandert war. Es war wie 1954, als ich nach Hanoi zurückkehrte, aber meine Familie schon in den Süden gezogen war. Ich war nicht so unglücklich wie Duong Thu Huong, als sie in Saigon ankam und erkannte, dass sie betrogen worden war. Sie musste sich am Straßenrand hinsetzen und brach in Tränen aus. Dennoch wusste ich sicher, dass dies kein Befreiungskrieg wie gegen die Franzosen gewesen war und dass die Gesellschaft im Süden nicht so war, wie die Partei behauptet hatte, z.B. dass die Menschen ausgebeutet worden waren. Deshalb war ich sehr glücklich, als ich erfuhr, dass meine Familie in die Staaten gegangen war. Zum einen vermisste ich meine Eltern und Geschwister, zum anderen war ich froh zu wissen, dass meine Familie sicher und in Freiheit lebte. Wären sie geblieben, hätte man sie lebenslänglich eingesperrt. So ging es nicht nur mir, sondern auch anderen, die aus dem Norden gekommen waren. Ich sehe, dass die Gesellschaft im Süden die Freiheit sehr genossen hatte. Ich sehnte mich nach der Freiheit der Schriftsteller im Süden. Schriftsteller im Süden hatten ihre eigene Würde und konnten unabhängig von irgendwelchen Anweisungen schreiben. Die Menschen hatten die Freiheit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, überall gab es Güter im Überfluss. Die ländliche Bevölkerung genoss das Leben in der Natur mit allen Arten von Vögeln und Fischen. Anders als die Menschen im Norden, die sich dauernd Sorgen machen.

Ich war froh das zu sehen, aber ich machte mir Sorgen, dass die Partei und die Regierung wieder eine Landreform durchführen könnten, die Grundbesitzer hinrichten und ander Gräueltaten begehen könnten, unter denen die Menschen im Süden zu leiden hätten. Zum Glück mussten die Leute im Süden nur die Hälfte von dem erleiden, was der Norden erlitten hatte. "Die Hälfte" bedeutet, es gab auch eine Reform der Industrie und des Handels, wobei die Leute in die neuen Wirtschaftszonen getrieben wurden. Aber es gab keine Hinrichtungen und keine öffentliche Verurteilung durch Familienangehörige wie im Norden. Ich glaube, es ist nicht richtig, dass manche Leute im Süden die Leute im Norden ganz allgemein nicht mögen. Der Grund dafür ist, dass man im Norden viel schlimmer unter dem Kommunismus leiden musste als im Süden. Die Leute im Norden litten geistig und körperlich. Ihr Leid war unbeschreiblich. Mit meiner Erfahrung mit den Kommunisten, habe ich Freunden, die mich nach 1975 besuchten, wie z. B. Pham Dinh Chuong, geraten, das Land zu verlassen. Ich riet allen Verwandten zu gehen, wenn sich eine Möglichkeit bieten sollte.

Nguoi Viet: Sie bezeichnen sich als Feigling. War es nicht sehr tapfer von Ihnen, die Angst zu überwinden, die Sie mehr als ein halbes Jahrhundert beherrscht hat?

To Hai: Dieses Regime wird sich nicht ändern, wenn unser Volk so feige ist. Wenn man normalen Leuten ihre Feigheit vorwirft, dann muss man sie den Schriftsteller hundertfach vorwerfen. Denn es ist der Schriftsteller, dessen Mission darin besteht, Ideologie und Gutes im Geist der Menschen zu säen. Wenn sie es nicht wagen, ihre Gedanken zu äußern, dann ist das eine schreckliche Sünde.

Heutzutage, wenn wir uns im Cafe unterhalten, scheinen die Leute wirklich darauf aus zu sein, das Regime zu kritisieren. Sogar hochrangige Offiziere haben solch einen feurigen Geist. Aber keiner wagt es, seine Gedanken auszusprechen. Es gibt einige tapfere Leute wie Tran Khai Thanh Thuy, Le thi Cong Nhan, Nguyen van Dai... die sich zu Wort meldeten und jahrelange Haftstrafen in Kauf nahmen. Ich bewundere diese jungen Leute aufrichtig. Übrigens, die Vietnamesen sind von einer proletarischen Diktatur unterjocht, während die Anführer sich stets auf ihre Angehörigkeit zum Proletariat berufen, um ihre Machtansprüche zu rechtfertigen. In Wahrheit folgen sie dem Kapitalismus nach. Aber wer wagt es schon, den Mund aufzumachen! Dieses Verhalten, stets den Mund zu halten, enttäuscht mich. Darum habe ich mich in meinen Memoiren selbst einen Feigling genannt, um mich von der Feigheit zu befreien, die jahrelang auf mir lastete. Aber um in Vietnam eine Demokratie aufzubauen, braucht es mehr. Es bringt nichts, Memoiren zu schreiben wie ich. Was meine Memoiren tun können, ist nur einige Schatten über Vietnam aufzuzeigen, das wär's dann.

Nguoi Viet: Wie befreien wir unser Volk von der seit Herbst 1945 herrschenden Angst vor kommunistischer Unterdrückung?

To Hai: Was mir auffällt ist, dass die meisten ihre Gedanken nicht aussprechen. Manche haben ihre wahren Gedanken erst nach ihrem Tod veröffentlichen lassen, wie z. B. der Schriftsteller Nguyen Khai und der Dichter Che Lan Vien. Sogar Intellektuelle wie sie trauen sich nicht, die Wahrheit zu sagen, und einfache, normale Menschen erst recht nicht. Ich muss sagen, es gab andere, die sich zu Lebzeiten äußerten, wie Hoang Minh Tuong mit "Zeit der Heiligen", Dao Hieu mit "Verirren"... Aber davon gibt es nicht viele. So sehe ich also keine Möglichkeit, das Volk von der Angst zu befreien, damit alle zusammen einen Ausweg für die gesamte Nation finden können.

Nguoi viet: Meine letzte Frage. Haben Sie den vietnamesischen Lesern sonst noch etwas mitzuteilen?

To Hai: Mein einziger Wunsch ist es, dass meine Landsleute im Ausland wachsam gegenüber der kommunistischen Regierung sein sollen. Sie sollen sagen: "Die sagen nicht was sie meinen." Heute sagen sie das, morgen sagen sie vielleicht genau das Gegenteil. Die Einheimischen sind sich dieses Verhaltens ihrer Regierung wohl bewusst. Ich glaube, dass die Nation ein gemeinsames Gut aller ist, und nicht nur für spezielle Interessen. We dürfen es nicht einer Gruppe oder einer bestimmten Partei überlassen, einfach zu tun was sie wollen. Ich wünsche mir, dass meine Mitbürger, egal ob im In- oder Ausland, sich nicht von Hass oder Differenzen überwältigen lassen, die dann einen Keil zwischen sie treiben. Wir sollten nicht vergessen, es ist unser gemeinsames Ziel, für eine bessere Zukunft in Vietnam zu kämpfen. Wir müssen daran glauben, dass eines Tages unsere Nation sich verändern wird. Das ganze Land vom Norden über Zentralvietnam bis zum Süden wird diesen Tag der Erleuchtung genießen.

Nguoi viet: Vielen Dank für das Interview.

No comments:

Post a Comment